Solom: Der Wanderprediger (German Edition) by Nicholson Scott

Solom: Der Wanderprediger (German Edition) by Nicholson Scott

Autor:Nicholson, Scott [Nicholson, Scott]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
veröffentlicht: 2014-03-17T04:00:00+00:00


27. KAPITEL

Sue Norwood hatten den ganzen Vormittag lang Inventur gemacht. Im Winter ließ sich in Solom nicht allzu viel verkaufen, und sobald das Wetter kälter wurde, konnte man auch keine Kajaks mehr vermieten. Normalerweise machte sie im Dezember frei. Sie hatte zwar mal überlegt, ob es sich lohnte, in das Skilanglaufgeschäft einzusteigen. Vielleicht würden die reichen Touris aus Florida anbeißen. Nur leider reisten die meisten von ihnen beim ersten Frost ab. Außerdem musste man am Ende des Jahres immer zusehen, wie man noch schnell ein paar Steuern sparen konnte.

Heute hatte sie nur drei Kunden gehabt: einen verlotterten Studenten, der einen Schlafsack von North Face kaufte, eine Hausfrau, die eine Tube Wundheilsalbe der Marke Wounded Warrior für zwei Dollar holte, und eine dickbusige Blonde, deren Rennrad einen Platten hatte. Da fiel Sue auf, dass die Everharts ihre Mieträder doch nicht über Nacht wieder abgegeben hatten.

Sie flickte gerade eine kaputte Naht an einem Kajak mit Glaswolle und Epoxydharz, als die Türglocke klingelte. Das waren bestimmt die Everharts, völlig übermüdet und fertig. »Hallo?«, rief sie aus der kleinen Werkstatt in der hinteren Ecke des Ladens.

»Sue?«

»Odus? Komm mal hier hinter, ich habe total dreckige Hände.«

Odus Hampton zählte nicht wirklich zu ihren Stammkunden, auch wenn er manchmal Angelhaken oder -schur kaufte. Wenn große Lieferungen kamen, half er ihr manchmal beim Ausladen. Dafür konnte er sich dann im Laden etwas aussuchen. Er hatte ihr eine Menge über den Fluss beigebracht, und sie hatte ihn ein paar Mal im Kanu mitgenommen, damit er ihr die Strömungen, Wasserfälle und schwierigen Stellen zeigen konnte.

Sie hatte ihm einen Job als Flussführer angeboten, aber er wollte keine regelmäßige Arbeit. Manchmal, wenn es Sue nicht gut ging, war er aber für sie eingesprungen. Sie vertraute auf seine Fähigkeiten in der freien Natur. Schließlich verbrachte er den halben Sommer draußen – wenn auch auf die billige Tour, also ohne Coleman-Laterne, Moskitonetz und Herman Survivor Boots mit Stahlkappe.

»Ist dir ein Boot kaputtgegangen?«, fragte Odus. »Du warst doch nicht etwa so verrückt und bist damit aufs Wasser gegangen? Es ist keine vier Grad mehr warm!«

»Ich mache es fit für den Frühling. Ich hab ja nur jetzt Zeit für so was. Warst du heute angeln?«

Odus schüttelte den Kopf. Sein Vollbart rauschte über seinen Overall. »Die Fische beißen jetzt nicht.«

»Ich dachte, bei dir beißen sie immer.« Vom Geruch des Epoxydharzes bekam sie Kopfschmerzen.

»Nicht, wenn das Wasser verseucht ist.«

»Was ist mit dem Wasser? Ist es vergiftet?« Der Blackburn River stand unter Naturschutz, Präsident Clinton hatte hier sogar eine Rede gehalten. An seinen Ufern gab es weder Fabriken noch große Landwirtschaftsbetriebe, und der Fluss speiste sich aus kleinen Quellen, die in den unberührten Bergen entsprangen. Wenn Sue aufgefallen wäre, dass irgendetwas mit der Wasserqualität nicht stimmte, dann wäre sie die Erste gewesen, die alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte: Greenpeace, den Umweltschutz, die Demokratische Partei und das Staatsministerium für Umwelt und Natur – alle hätte sie mobil gemacht.

Denn sauberes Wasser war pures Geld, genauso wie unberührte Landschaften. Viele Orte in den Bergen verscherbelten ihre idyllischen Hänge an Millionäre, die dort protzige Häuser bauten.



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